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Tagung mit Pfarrer Dr. Friedrich Schorlemmer

Wie kann die Demokratie ihre Bewährungsproben bestehen? Denn "Wutbürger" gibt es nicht nur in Stuttgart und Dresden, sondern überall. Rechtsextreme Gruppierungen versuchen allerorts, sich diese zunehmende Politikverdrossenheit zu Nutze zu machen: Mit einfachen, autoritären Lösungen für komplexe und widersprüchliche Probleme untergraben sie das Vertrauen in Demokratie und Rechtstaat.

Dieser Entwicklung ging im September 2016 eine Tagung am Evangelischen Bildungszentrum Bad Alexandersbad auf den Grund, zu der auch die Mitglieder aller Begleitausschüsse unserer vier Partnerschaften für Demokratie "in der Mitte Europas" eingeladen waren. Mit über 80 Teilnehmenden aus Bayern, Thüringen und Sachsen fand die Tagung großen Zuspruch. Im Folgenden dokumentiert unser damaliger Praktikant in der Projektstelle gegen Rechtsextremismus Max Barnewitz die zentralen Aussagen:

 

Die Wahlkämpfe in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin stehen wie Chiffren für eine zutiefst polarisierte politische Kultur, die sich letztendlich auch in deren Wahlergebnissen widerspiegelt. Skandalisierungen, Schuldzuweisungen, Populismus - es wird verbal in jede Richtung geschossen: gegen die Politiker, gegen die Medien und viele weitere. Doch diese undifferenzierten Wortgefechte bleiben nicht ohne Folgen für ein demokratisches System.Vor diesem Hintergrund förderte die Koordinierungs- und Fachstelle "Demokratie leben in der Mitte Europas" eine Tagung zum Thema "Machtlose Politik und missmutige Bürger – Wie kann die Demokratie ihre Bewährungsproben bestehen?", die vom 09. bis zum 11. September im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum in Bad Alexandersbad stattfand. Über 80 Teilnehmende diskutierten mit hochkarätigen Referierenden aus der Theologie, Wissenschaft und Publizistik die Symptomatik der aktuellen Spaltung der Gesellschaft in "Gutmenschen" und "Wutbürger" - einschließlich der daraus erwachsenden Herausforderungen für eine demokratische Gesellschaft.
Diese Etikettierung spricht für sich: Sie ist symbolisch für hoch emotionalisierte Debatten, für Diskussionen zwischen unversöhnlichen Kontrahenten. Einen wertvollen Beitrag, der eine Brücke über diese Gräben spannen sollte, trug Frank Richter bei, zum Zeitpunkt der Tagung noch Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung. Er betonte, wie elementar wichtig es ist, kontinuierlich zu debattieren, den Gegenüber trotz seiner vielleicht fundamental entgegengesetzten Meinung zu respektieren, den Draht zueinander nicht zu verlieren und dabei unsere Grundwerte zu wahren.
Dass Demokratie mehr ist, als eine reine Herrschaftsform, zeigte Dr. Christian Boeser-Schnebel besonders anschaulich im Rahmen eines Argumentationstrainings gegen Politik(er)verdrossenheit. Das Ergebnis war eindeutig: Diskurse müssen geführt, Demokratie gelebt, Politik gewagt werden.Vor dem Hintergrund des Erstarkens der AfD und Protestbewegungen wie PEGIDA stellte sich die Frage nach der Rezeption der aktuellen Situation in den Geschichtsbüchern. Wie wird die Zeit heute moralisch eingeordnet werden? Wie wird darüber berichtet werden? Als "dunkle Jahre" einer sonst vorbildlichen Demokratie? Als ein "68er von Rechts"? Als "Freiheitsbewegung"...?
Die von Pfarrer Friedrich Schorlemmer und Dr. Joachim Twisselmann veranstaltete Tagung wies vor allem auf eines hin: Wir haben es in der Hand. Wir sind die Gestalter der Gegenwart und sind verantwortlich, sogar in der Pflicht, uns zu einem demokratischen Konsens zu bekennen, auf dessen Basis sachliche Diskussionen geführt werden können, auf dessen Basis gestritten werden kann – geleitet durch die Grund- und Menschenrechte. Streit ist in diesem Sinne, in dieser Form nicht als lästig und ausschließlich kräftezehrend zu betrachten. Er ist von einem demokratischen System erwünscht. Er ist systemgewollt. Er ist systemnotwendig. Denn eine Demokratie, die als Herrschaft des Volkes auf einem brüchigen Fundament politikverdrossener Bürger fußt, kann langfristig keine Legitimation und Stabilität für sich in Anspruch nehmen.

Programm der Tagung

Impression der Tagung "Machtlose Politik und missmutige Bürger - Wie kann die Demokratie ihre Bewährungsproben bestehen?"

2016 09 11 Schorlemmer Tagung Politikverdrossenheit 1 700pxIm Bild der Publizist Albrecht von Lucke, Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik"

2016 09 11 Schorlemmer Tagung Politikverdrossenheit 2 700pxIm Bild Dr. Christian Boeser-Schnebel, Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für Pädagogik der Universität Augsburg und Projektleiter des Netzwerks Politische Bildung Bayern


Im Bild Pfarrer Dr. Friedrich Schorlemmer im Podiumsgespräch mit dem Blogger und Pfarrer Christian Wolff, www.wolff-christian.de